www.konfliktkostenrechner.de
Mehrstufiges Schätzverfahren zur nachvollziehbaren und aussagekräftigen Ermittlung von Konfliktkosten
O. Ahrens
Die Wirtschaftsmediation, 02. Ausgabe 2012
Für ein effektives Konfliktmanagement ist die Kenntnis der von Konflikten hervorgerufenen Ineffizienzen („Konfliktkosten“) grundlegend. Die Bestimmung solcher Ineffizienzen ist aufgrund der vielfältigen Auswirkungen von Konflikten nicht trivial. Eine Lösung zu diesem Problem bietet der hier vorgestellte „Konfliktkostenrechner“ mit einem mehrstufigen Schätzverfahren, das die Abschätzung von Ineffizienzen in den maßgeblichen Kostenanteilen erstmals in einer Internetanwendung ermöglicht.
Ein Bauchgefühl "zum Greifen nahe"
Ich möchte Sie auf die Vorstellung des Konfliktkostenrechners mit ein paar Behauptungen und Fragen vorbereiten:
- Konflikte sind in jedem Unternehmen präsent.
- Der Versuch, die Kosten eines Konflikts „in Euro“ abzuschätzen, wird als eine große Hürde empfunden.
- Manche Kollegen verweigern die Antwort oder haben in der Regel kein gutes Gefühl, was das Ergebnis angeht.
Prüfen Sie diese Behauptungen, indem Sie sich selber oder besser einen Kollegen fragen:
- Gibt es in Ihrem / in unserem Unternehmen Konflikte?
- Wenn ja, bitte rufen Sie sich einen Konflikt in Erinnerung.
- Wenn Sie einen Konflikt vor Augen haben, schätzen Sie bitte ab, wie viel dieser Konflikt das Unternehmen in Euro kostet.
Der Versuch scheitert in den meisten Fällen, da sich die Folgen von Konflikten in ganz unterschiedlichen Formen auswirken und unterschiedliche Kostenarten betreffen. Ohne diese Zusammenhänge angemessen abzubilden, bleibt es bei einem vergeblichen Versuch oder aber das Ergebnis hinterlässt ein ungutes Gefühl, weil der Beurteilung eine nachvollziehbare Basis fehlt. So bleibt es zumeist bei einem „Bauchgefühl“.
Die Unbekannten bleiben unbearbeitet
Konfliktkosten nicht beziffern zu können, hat jedoch mitunter schwerwiegende Folgen. Sofern die Kosten von Konflikten nicht transparent sind, mangelt es in den allermeisten Fällen an der Bereitschaft, sich mit diesen konsequent auseinanderzusetzen.
Umgekehrt könnte ein enormer Handlungsdruck entstehen, wenn einer Führungskraft die Kosten eines Konflikts mit beispielsweise mehreren hunderttausend Euro aufgezeigt werden. Kosten in dieser Größenordnung stehen in Konkurrenz zu den generell beschränkten Ressourcen und können nicht ignoriert werden.
Nutzen eines Konfliktkostenrechners
Der Konfliktkostenrechner bietet beides, um diese Hürde zu überwinden: die systematische Abbildung von maßgeblichen Konfliktfolgen und deren nachvollziehbare Beurteilung mit Hilfe einer Schätzsystematik.
Jedem Schätzverfahren ist eine Unsicherheit in der Bewertung zuzuschreiben. Mit dem hier vorgestellten Bewertungsschema wird daher nicht der Anspruch verfolgt, Konfliktkosten „exakt“ zu ermitteln.
Die Zielsetzung des Konfliktkostenrechners ist zum einen, nachvollziehbare und aussagekräftige Ergebnisse zu ermöglichen, und damit zum anderen, die Sensibilisierung im Umgang mit Konflikten und deren „Wertschätzung“ zu fördern.
Schließlich wird mit einer transparenten Kostenherleitung ein Handlungsdruck erzeugt, da es sich nicht länger um ein vages Bauchgefühl handelt, sondern anhand einer konkreten Wertstellung für die Folgen eines Konfliktes die Dringlichkeit zur Konfliktlösung steigt bzw. die Bereitschaft zum Einrichten von Präventivmaßnahmen gefördert wird.
Grundannahmen von Konflikten
Der Begriff „Konflikt“ wird hier in seiner Bedeutung als Abweichung von einem erwarteten Zustand oder Vorgehen benutzt. Somit darf ein Konflikt als Anzeichen für notwendige Veränderungen des Systems, der Rahmenbedingungen im Allgemeinen oder aber der Rollen / Selbstverständnisse der Betroffenen gewertet werden.
Organisationen, die eine Kultur leben, in der Konflikte unterdrückt werden, sind deshalb nicht „konfliktfrei“; diese werden lediglich nicht ausgelebt und ausbleibende Anpassungen an beispielsweise geänderte Rahmenbedingungen können mitunter fatale Folgen für Unternehmen haben.
Andererseits können Konflikte eine bedeutende Rolle einnehmen, um wichtige Veränderungen zu initiieren. Daher ist die Unterscheidung in funktionale und dysfunktionale Konflikte sinnvoll. [KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (2009)]
Ursachen für dysfunktionale Konflikte können sein:
- mangelnde Abstimmung von Zielsystemen verschiedener Abteilungen / Bereiche
- aus organisatorischen Defiziten / unklaren Rollenzuweisungen resultierende Kompetenzüberschneidungen oder fehlende Zuständigkeiten
- mangelhafte Führung
- fehlende Anerkennung
- mangelnde Fähigkeit von Mitarbeitern im konstruktiven Umgang mit Konfliktpotentialen
- ungeeignete personelle Zusammensetzung von Teams
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Konfliktauswirkungen wiederum können gänzlich unterschiedlich sein. So können beispielsweise Folgen konfliktbehafteter Teamarbeit zu Ineffizienzen führen, die sich als Verzögerungen in Projektfortschritten auswirken, die Ergebnisqualität in Projektarbeiten mindern oder bei beeinträchtigter Kommunikation insgesamt mehr Zeit und damit Ressourcen binden.
Beispiel eines Konfliktausgangs
Zur Veranschaulichung soll ein weiteres allgegenwärtiges Beispiel mit einem Mitarbeiterverlust angeführt werden. Die Gründe eines Mitarbeiters, ein Unternehmen zu verlassen, können vielfältig sein: berufliche Weiterentwicklung, persönliche Gründe und viele mehr, die nicht unbedingt mit einem Konflikt in Verbindung gebracht werden müssen.
Jedoch kann auch ein unangemessen geführter Konflikt zur Entscheidung eines Mitarbeiters führen, einen Schlussstrich zu ziehen und das Unternehmen zu verlassen. In diesem Fall verliert das Unternehmen eine Ressource, die zur Ausübung einer unternehmensrelevanten Rolle nachbesetzt werden muss, und dem Unternehmen entstehen dadurch zusätzliche Kosten.
Prüfen Sie noch einmal die einleitende Aufforderung:
Trauen Sie sich die Abschätzung dieser Kosten im Falle eines Mitarbeiterverlusts zu? Notieren Sie sich vielleicht Ihr Ergebnis, bevor Sie weiterlesen.
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Haben Sie bei Ihrer Überlegung an die folgenden möglichen Kostenbeiträge gedacht?
- innere Kündigung
- Nachbesetzung der vakanten Stelle
- Minderleistung aufgrund fehlender Rollenbesetzung
- Stellvertretertätigkeiten
- Einarbeitung eines neuen Mitarbeiters
Methode des Konfliktkostenrechners
Da Konfliktkostenstrukturen in Organisationen grundsätzliche Ähnlichkeiten aufweisen, kann der Konfliktkostenrechner universell eingesetzt werden.
In der Vergangenheit wurde eine Anzahl von Studien durchgeführt, die Konfliktkosten in Unternehmen zumeist mit Hilfe von Fragebögen ermittelt haben. Besonders hervorzuheben ist die Konfliktkostenstudie von KPMG, die das Thema mit einer ausgezeichneten Systematik ergründet und zu wichtigen Aussagen geführt hat. (Der Konfliktkostenrechner nutzt Standardwerte, die bei Bedarf an die unterschiedlichen Branchenverhältnisse bzw. Rollen innerhalb eines Unternehmens flexibel angepasst werden können.) [Vgl. KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (2009) und Insam (2012)]
Der Konfliktkostenrechner nutzt die bereits bekannten Konfliktauswirkungen, ordnet jedoch jedem einzelnen Konfliktsymptom maßgebliche Kostenkategorien zu.
Weitere Beispiele für Konfliktsymptome sind: [KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (2009)]
- Mitarbeiterfluktuation (= Mitarbeiterverlust)
- Krankheit und Fehlzeiten
- betriebsschädigendes Verhalten
- Kundenverlust oder Kundenfluktuation
- Teamprobleme oder mangelhafte Projektarbeit
- Prozessprobleme oder Fehlregulierung einer Organisation / von Prozessen
- arbeitsrechtliche Sanktionen
Entscheidend für die aussagekräftige Abschätzung der Konfliktkosten ist die Identifikation der maßgeblichen Kostenkategorien, die mögliche resultierende Folgekosten des Konflikts berücksichtigen und dem Nutzer während der Anwendung durch ein mehrstufiges Schätzverfahren zur Beurteilung angeboten werden. Ein Beispiel hierfür stellt die Abschätzung gebundener Arbeitszeit dar, die Mitarbeiter für die Einarbeitung eines neuen Kollegen aufwenden:
In einer ersten Schätzstufe wird der Anwender aufgefordert, die insgesamt gebundene Arbeitszeit für die Einarbeitung in die groben Kategorien Tage, Wochen, Monate etc. einzuordnen. In einer zweiten Stufe kann optional eine weitere Detaillierung vorgenommen werden. Die resultierende Zeitbindung wird dann mit dem durchschnittlichen Jahresgehalt der einarbeitenden Mitarbeiter bewertet und ergibt einen Kostenbeitrag zu den Konfliktfolgen.
Einheiten zur Abschätzung der Konfliktkosten
Der Konfliktkostenrechner unterscheidet für jede Kostenkategorie die Kostenarten in %-Auswirkung, Zeitbindung oder direktem Zahlungsabgang:
- Die Prozent-Einbuße wird zur Abschätzung einer Leistungsminderung oder einer Prozessineffizienz genutzt.
- Die Arbeitszeit wird, wie bereits weiter oben ausgeführt, immer dann angewendet, wenn Mitarbeiter einen Teil ihrer Arbeitszeit als Folge des Konflikts aufwenden müssen.
- Gemeinkosten fallen immer bei direkten Zahlungsabgängen an, beispielsweise bei der Beauftragung externer Dienstleister oder dem Leisten von Abstandszahlungen.
Konfliktkostenstudie
Konstruktives Konfliktmanagement bietet ein bedeutendes Potential zur Steigerung der Effizienz in Unternehmen. Die nachvollziehbare und aussagekräftige Bestimmung von Konfliktkosten nimmt hierbei eine Schlüsselrolle ein. Der Konfliktkostenrechner ermöglicht hierzu dem Anwender, die Hemmschwelle („empfundene Komplexität“) in der Beurteilung von Konfliktkosten zu reduzieren. Konfliktberechnungen, die in der Zeit bis zum 15. Dezember 2012 durchgeführt werden, finden Eingang in die derzeit laufende Konfliktkostenstudie des Steinbeis-Beratungszentrums Wirtschaftsmediation.
www.konfliktkostenrechner.de
Sie können mit Ihren Berechnungen auf der Homepage www.konfliktkostenrechner.de zu dieser laufenden Studie beitragen und bei der Gelegenheit die Vorteile des Konfliktkostenrechners kennenlernen.
Literatur
Insam, Alexander: Konfliktkosten - identifizieren, verifizieren, reduzieren. In: Die Wirtschaftsmediation 1, 2012, S. 8-10.
KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft: Konfliktkostenstudie - Die Kosten von Reibungsverlusten in Industrieunternehmen. 2009.